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Reisebericht, Seite 3 von 5

Es ist baumpflegerisch eine Reise in die Geschichte unseres Berufsstandes.

Denn, wie wir später weiter noch bewundern werden, besteht in Sankt Petersburg eine handwerklich hoch entwickelte Tradition für Baumchirurgie, ebenso ein Bewusstsein über den Zierwert natürlich aussehender Bäume, die diese riesigen historischen Parkanlagen schmücken.

Mir dämmert es, ich überlege.

Bis die Methoden nach Shigo bei uns Eingang in die technischen Regelwerke unserer Zunft fanden, vergingen viele Jahre der Auseinandersetzung. Ich erinnere mich an Erzählungen einiger älterer Baumpfleger: Auf den damaligen Baumpflegekongressen wurden wegen der Ablehnung dieser neueren Methoden Shigos sogar Tomaten und Eier geworfen.

Sayana versucht zu übersetzen, Shigo in 4 Minuten, sie versteht den Innhalt gar nicht,- nein, das wollen wir irgendwie später noch einmal mit Anatolij thematisieren.

Unser Blick fällt auf einige Bäume in denen Kronensicherungen eingebaut sind. Es ist eine Konstruktion aus gespannte Stahlseilen und ca. 10 cm breiten Stahlstreifen, die über einem Schutz aus Gummi den Baum halbkreisförmig umschlingen. Da die Seilspanner eingebaut bleiben, lässt sich das System wohl leicht nachregulieren. Auch die halbkreisförmigen Umschlingungen scheinen sehr dauerhaft konstruiert worden zu sein.

Am nächsten Morgen treffen wir Anatolijs Leute. Viktor und Volodja. Sie klettern seit über 25 Jahren für Anatolij. Diese Begegnung mit unseren sympathischen russischen Kollegen stimmt uns wirklich froh. Jasper und Tim haben sofort einen direkten Draht zu ihnen.

Valodja ist Jahrgang 1953, Viktor etwas jünger. Ich zeige ihnen an einer toten Stieleiche, die ich hinter dem Cottage Schloss fällen soll, den Steigeiseneinsatz. Das die Verwendung von Steigeisen nur bei Fällungen zulässig ist, braucht Sayana nur mit dem ersten Wort zu erwähnen, da winken unsere russischen Kollegen die Übersetzung schon ab. Das sei ja wegen der Verletzungen selbstverständlich zu verstehen!

Bei den Übersetzungen merken wir nun, dass die sprachliche Barriere aufgrund des gemeinsamen Erfahrungsschatzes um die Bäume oftmals sehr klein wird. Die Einzige die nichts versteht ist Sayana, die unablässig ihre Arbeit macht.

Ich weiß zwar nicht genau warum, aber irgendwie bringt Sayana unsere Gastgeber öfters zum Lachen. Vielleicht ist es ihre burjatisch-mongolische Art? Sayana lebt seit über 20 Jahre als Immigrantin in Hamburg.

Gleichzeitig bemerke ich, dass sie für 10 Sätze Deutsch 20 Sätze Russisch benötigt. Sie erzählt mir, dass unsere russischen Gesprächspartner sich wirklich gewählt und manchmal blumig ausdrücken. Manchmal denke ich, wir Deutschen sind vielleicht in der Sprache und im Verhalten zu trocken, zu prosaisch, zu direkt und sachlich.

Nun zeigen Viktor und Anatolij uns ihre Aufstiegstechniken. Anatolij hatte davon vorher berichtet. Als er uns vor 2 Tagen beobachtete, meinte er, mit unserer Methode könne man nicht alt werden, die wäre viel zu mühsam. Russische Baumklettermethoden seien anwendbar, bis man 80 Jahre alt ist.

Es wird kein Seil vorher eingeschmissen. Viktor klettert mit zwei kleinen Strickleitern zu je 4 Sprossen an einem Eichenstamm hoch. Dabei wird jeweils eine Leiter bestiegen, während die zweite mit einem Seil und einem Karabiner etwas höher um den Baum geschlungen wird.

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