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02.03.2021

Die Unheimlichkeit der Zeit

 

Mit dem Institut für Baumpflege haben wir zum dritten Mal einen absterbenden Eichentorso auf seine Standsicherheit überprüft. Der Baumstumpf steht auf einem Lübecker Friedhof neben anderen sehr alten Stieleichen.

Der Stumpf ist aus ökologischen Gründen sehr erhaltenswert, da in den wenigen, lebendigen Bereichen der Borke ein seltener Käfer gefunden wurde (Heldbock).

Die Analyse des statischen Abbaus eines solchen Torsos stellte sich äußerst kompliziert dar:

Um vergleichbare Werte der Zugversuche zu erhalten, mussten die Versuchsbedingungen möglichst exakt wiederholt werden. Auch die Grundlage der Lastbemessung war schwierig, da der Baumstamm ohne Krone ja kaum durch Wind belastet wird. Wir haben anstelle dessen eine theoretische Neigung von 10° angenommen. Ebenso war eine rechnerische Fortschreibung der Messergebnisse (Extrapolation) sehr problematisch, da nicht bekannt ist, ob sich zersetztes Wurzelholz so verhält wie intaktes Wurzelholz im Boden.

Ein signifikanter Abbau der Standsicherheit ließ sich nur zwischen den Jahren 2019 und 2020 für beide Zugrichtungen feststellen. Zwischen den Jahren 2020 und 2021 sind in der schwächsten Belastungsrichtung nur tendenziell niedrigere Sicherheitswerte errechnet worden.

Zumindest konnten wir aussagen, dass der Stamm auch bei einer seitlich- und kontrolliert eingeleiteten Versuchslast von ca. 1 To. auf der halben Höhe des Stammes nicht umgefallen ist. Das entspräche einer theoretischen, zusätzlichen Neigung von weiteren 7°, bei der Annahme das der ca. 11 m hohe Stamm ca. 10 t. schwer ist.

 

Ob sich aus den drei Messungen der letzten Jahre jedoch die Zukunft prognostizieren lässt, bleibt fraglich. Wir würden den Stumpf also auch in den nächsten Jahren gerne weiter überprüfen. Das böte die Gelegenheit, exemplarische Erkenntnisse über die Erhaltungsmöglichkeiten von solchen ökologisch wertvollen Stammruinen zu erhalten.

 

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